Sonnwendbuschen - Die Kräuter der Sommersonnenwende
Aktualisiert am:
20.06.2025
Die Geschichte des Sonnwendbuschens
Die Anfänge des Sonnwendbuschens stammen aus der vorchristlichen Zeit, als die Naturverbundenheit eine große Rolle im Alltag der Menschen einnahm.

Jahr für Jahr wurden zur Sommersonnenwende – der Tag, an dem die Sonne am längsten scheint und am höchsten am Himmel steht – verschiedene Heilkräuter gesammelt, die Fruchtbarkeit, Gesundheit, Schutz und Kraft der Natur versprachen. Der Zeitraum wurde mit Bedacht gewählt, denn tatsächlich ist der Gehalt an ätherischen Ölen und die Wirkstoffdichte der pharmakologisch wertvollen Verbindungen in den Kräutern rund um die Sommersonnenwende am höchsten. Der Grund: Gegen Ende Juni, wenn die Sonne besonders lange und intensiv scheint, weisen Pflanzen die höchste Photosyntheseleistung auf, was sich sich unter anderem im erhöhten Gehalt der ätherischen Öle und intensiven Aromen zeigt.
Die Anzahl der Kräuter, aus denen ein Sonnwendbuschen zusammengestellt wird, ist verschiedene; üblich sind sieben, neun oder zwölf Pflanzen. Zahlen, die in der Astronomie, Kultur und Mythologie immer wieder auftauchen.
Die Zahl 7 findet sich beispielsweise in den sieben sichtbaren Himmelskörpern der Antike (Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus, Saturn) und den sieben Tagen der Woche wieder. Die Zahl 9 gilt als die Zahl der Reife und Vollendung. Neun als die Zahl der potenzierten Dreifaltigkeit, die 9 spielt aber auch eine Rolle in Odins 9 Tage und Nächte der Initiation. Die Zahl 9 wird aber auch mit den neun Monaten der Schwangerschaft und den 9 Musen der griechischen Mythologie gleichgesetzt. Die Zahl 12 hingegen verkörpert die kosmische Ordnung: 12 Stunden Tag, 12 Stunden Nacht, 12 Tierkreiszeichen und die 12 Apostel des Neuen Testaments.
Die Bedeutung des Sonnwendbuschens
Aktuell erlebt das Sonnwendbuschen eine Renaissance. Der in die Vergessenheit geratene Brauch vom Sammeln, Trocknen und Verwenden der Sonnenwendekräuter wird neu erlebt. Oftmals wird das Sonnwendbuschen mit anderen zelebriert, die Buschen gemeinsam arrangiert und Rituale geschaffen. Die Sehnsucht nach der Resonanz mit den natürlichen Rhythmen, dem Leben nach dem Jahreskreis und die Verbundenheit mit der Natur finden im Sonnwendbuschen einen Ort der Wirkung.
In der Vergangenheit stand der Schutzgedanke an oberster Stelle. Die Sträuße wurden als Haussegen im Haus aufgehängt, im Herrgottswinkel – dem „Altar“ in traditionellen Bauernstuben – oder über über der Tür befestigt. Man glaubte, mit den Kräutern der Sommersonnenwende seien die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses vor Unheil, Krankheiten und bösen Geistern geschützt. Häufig wurden die Kräuter des Sonnwendbuschens auch in den Rauhnächten zur Weihnachtszeit zum Räuchern verwendet und nicht zuletzt kamen die Kräuter wegen ihrer medizinischen Bedeutung als Tee oder Heilmischung zur Anwendung.
Die Kräuter des Sonnwendbuschens
Die Kräuter der Sommersonnenwende werden üblicherweise an zwölf Tagen vor oder um die Sommersonnenwende am 21. Juni gesammelt. Ein Brauch, der in Verbindung mit Bauern- bzw. Wetterregeln, Naturbeobachtungen und spirituellem Wissen entstanden ist.
Es sind vor allem weiß, orange oder gelb blühende Wild- und Küchenkräuter, die in den Tage um die Sommersonnenwende gesammelt werden. Farben, die im spirituellen Sinne die Sonne, das Licht und die Kraft verkörpern, die über das Trocknen konserviert werden.
Aus Sicht der Hausapotheke sind Sonnwendbuschen-Kräuter ebenfalls interessant, da mit allen Kräutern ein Potpourri an verschiedensten Heilkräutern zusammengestellt wird. Johanniskraut wirkt nachgewiesenermaßen stimmungsaufhellend. Lavendel und Baldrian beruhigen bei Stress und sind entspannend. Beifuß, Königskerze, Kamille, Thymian und Salbei sind bei Erkältungen und Magen-Darm-Beschwerden wohltuend. Wermut und Schafgarbe unterstützen die Arbeit von Galle und Leber, während die Ringelblume äußerlich bei einigen Hauterkrankungen Verwendung findet. Der Dichter Rudolf Baumbach (1840 bis 1905) nannte seinerzeit dahingegen "Dosten, Dorant und Sanikel, Beifuss, Baldrian und Attich" sowie das Johannishändlein", wobei Dosten für Oregano, Dorant für Andorn, Sanikel für Waldklette, Attich für Zwergholunder und das Johannishändlein für Johanniskraut stehen.
Spannend ist auch der Hintergrund, dass einige Kräuter noch mehr mit der Sonnenwende und dem Johannistag verbunden sind. So kommt der Name Johanniskraut nicht von ungefähr: am 24. Juni steht das Johanniskraut in voller Blüte. Wenn das Johanniskraut mit seinen sonnig-gelben Blüten auf der Wiese alles überstrahlt, ist die perfekte Zeit zum Ernten gekommen.
Und wenn in der Vergangenheit vielerorts kein Beifuß mehr zu finden war, ist der Brauch des Johannisgürtels eine mögliche Erklärung. Einem alten Ritual zufolge wurde am 23. Juni ein Gürtel oder Kranz aus Beifuß geflochten, der in der Nacht vor dem Johannistags ins Johannisfeuer geworfen wurde. Dem Aberglauben zufolge wurden so alle Dämonen verscheucht, die Wurzel allen Unglücks sind und auch die Schuld aller Krankheiten von Menschen und Tiere in sich tragen.
Das Sammeln der Sonnwendbuschenkräuter
Der beste Zeitpunkt zum Sammeln der Kräuter ist vormittags zwischen 9 und 11 Uhr. Der Anteil der ätherischen Öle ist dann besonders hoch und der Morgentau ist bereits verdunstet, sodass beim Trocken kein Schimmeln entsteht Zur Mittagszeit sollten die Pflanzen hingegen nicht gesammelt werden, da sich infolge der Hitze und durch die UV-Strahlung der Sonne ein Teil der Öle verflüchtigt. Wichtig zu wissen ist auch, dass Kräuter, deren Blätter für Tees verwendet werden, wie etwa Thymian und Salbei kurz vor oder zu Beginn der Blüte geerntet werden, da anderweitig die Kraft in die Blüten geht.
Anschließend werden die Kräuter zurechtgeschnitten, zu einem Strauß mit Leinen, Hanfseil oder Baumwollgarn zusammengebunden und kopfüber getrocknet.
Datum | Bedeutung/Brauchtag | Kräuter | |
---|---|---|---|
13. Juni | Antoniustag (Hl. Antonius von Padua) | Beifuß, Thymian | |
14. Juni | Tag des Schutzes vor Unwettern (regional) | Baldrian, Kamille | |
15. Juni | Vitustag (Unwetterheiliger) | Eisenkraut, Schafgarbe | |
16. Juni | Quirinustag (seltener) | Melisse, Salbei | |
17. Juni | Gedenktag des Hl. Botvid (Skandinavien) | Lavendel | |
18. Juni | Wettertag in der Bauernregel-Tradition | Johanniskraut beginnt zu blühen | |
19. Juni | Tag der Wachsamkeit (Achtsamkeit in der Natur) | Minze, Ringelblume | |
20. Juni | Übergang zur Sonnenwende | Beifuß, Rainfarn | |
21. Juni | Sommersonnenwende – höchste Kraft | Alant, Johanniskraut, Königskerze | |
22. Juni | Beginn der Wendezeit (Wirkung kehrt sich um) | Kamille, Quendel | |
23. Juni |
| Wacholder, Wermut | |
24. Juni | Johannistag (Johannes der Täufer) | letzter Tag des Sammelns |
Auch interessant:
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Quellen:
- Mattioli, P. A. (1678): Beyfuß. Sonnenwendgürtel. IN: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch. Von allerhand Gewächsen der Bäumen, Stauden vnd Kräutern, die in Teutschland, Italien, Franckreich, vnd in andern Orten der Welt herfür kommen
- Theodorus, I. (1731): Neü vollkommen Kräuter-Buch, Darinnen uber 3000. Kräuter, mit schönen und kunstlichen Figuren, auch deren Underscheid und Würckung, samt ihren Namen in mancherley Sprachen beschrieben; Dessgleichen auch, wie dieselbige in allerhand Kranckheiten, beyde der Menschen und des Viehs, sollen angewendet und gebraucht werden, angezeigt wird.
- Naaff, A. A. (1894): Neunerlei Kräuter (In der Sommerwend-Nacht). IN: Höhenfeuer. Dichtergrüsse zur Sonnenwend-Feier auf dem Tannenberge am 24. Juni 1894
- Verzascher, B. und Zwinger, T. (1696): Sonnenwendgürtel. IN: Theatrum botanicum, das ist, neu vollkommenes Kräuter-Buch
- Witzschel, A. (1858): Das Fest der Sonnenwende
- Baumbach, R. (1885): Frau Holde (Gedicht)