Wildkräuter in der Stadt
Aktualisiert am:
05.03.2021
Wenn wir an eine Stadt denken, so kommen uns meistens Häuser, Menschen oder Autos in den Sinn. An Wildkräuter und andere Pflanzen denken wir dabei nur selten. Zu Unrecht: Der städtische Lebensraum bietet zahlreichen Pflanzen einen oft wertvollen Lebensraum und damit auch Insekten und Vögeln wichtige Nahrung. Für uns Menschen haben diese Pflanze einen hohen Wert, da sie unter anderem unser Mikroklima positiv beeinflussen und als Nahrungspflanzen dienen können.
Inhaltsverzeichnis
Artenreichtum in der Stadt – Kräuter und Insekten in Hülle und Fülle
Wo wachsen Kräuter in der Stadt?
Es gibt kaum Orte in der Stadt, die nicht von Wildpflanzen besiedelt werden. Ausnahmen bilden natürlich vollständig versiegelte Flächen, wie sie an Plätzen oder in vielen Stadtzentren vorkommen. Doch bereits Pflastersteine, die durch kleinere Fugen mit Erde voneinander getrennt sind, bieten anspruchslosen Kräutern genügend Raum zum Wachsen. Wichtige Orte sind:
- Parkflächen
- Brachflächen und Ödland
- Bahndämme
- Kleingärten
- Balkone und Hinterhöfe
- naturnahe Wiesen
- bodenoffene Wege
- Dächer
- Friedhöfe
- Vorgärten
Auf den ersten Blick mag man an bewirtschaftete städtische Parks denken, die womöglich zahlreiche Wildpflanzen, Insekten und Vögel beheimaten. In einigen Fällen stellen Parkanlagen auch tatsächlich ein wertvolles Ökosystem dar, vorausgesetzt, dass die Bewirtschaftung der Parkflächen auch im Einklang der Natur erfolgt. Dazu gehört u.a. Rasenflächen nicht zu intensiv zu bearbeiten und natürlich auch das Anpflanzen insektenfreundlicher Pflanzen. Häufige Begleiter in schattigen oder halbschattigen Lagen von Parks sind beispielsweise der Bärlauch, Giersch oder die Brennnessel.
Oftmals sind es jedoch viele andere kleinere Flächen, die regelrechte Biotope darstellen. Nicht mehr bewirtschaftete Grundstücke oder Brachflächen beispielsweise sind eine regelrechte Arche Noah für so genannte Pionier- und Ruderalarten. Je nachdem wieviel Nährstoffe im Boden vorhanden sind, findet man dort oft Kamille, Schafgarbe, Wilde Möhre, Natternkopf oder den Klatschmohn – um nur einige wenige zu nennen.
Bleibt eine Brache für längere Zeit ohne menschlichen Einfluss, siedeln sich nach und nach mehrjährige Pflanzen an, darunter auch viele Sträucher und zunehmend Bäume. Solange Bäume und hochwachsende Sträucher die krautigen Pflanzen nicht verdrängen, herrscht hier eine oft riesige Artenvielfalt. Wildbienen, Schmetterlinge und andere Insekten finden Nahrung in Hülle und Fülle, wodurch auch Vögel wiederum satt werden. Ein positiver Kreislauf entsteht. Werden diese Brachen später wieder geschlossen, verschwindet meist auch die Artenvielfalt.
Neben Brachflächen bieten auch Bahndämme, Gleisbette sowie allgemein Gleisanlagen oft eine erstaunliche Artenvielfalt. Hier finden sich oft mehrjährige Wildkräuter, die keine hohen Ansprüche haben. Nicht selten findet man im städtischen Bereich Pflanzen wie die Nachtkerze, die Königskerze oder die Goldrute. Diese Pflanzen bilden eine gute Nahrungsgrundlage für spezialisierte Nachtfalterarten, wie z.B. dem Königskerzen-Mönch oder auch dem Nachtkerzenschwärmer, der in Mitteleuropa in einigen Regionen schon sehr selten geworden ist.
Einen großen Anteil haben selbstverständlich auch Kleingartenanlagen, Hinterhöfe und Balkone, insofern sie auch heimische Pflanzen beheimaten. Vor allem Kleingarten sind für viele Insekten und Vögel städtische Refugien und kleinteilige Ökosysteme. Sie enthalten nicht nur genug Nahrung, sondern auch viele Schlupfwinkel und an heißen Tagen auch Wasser. Balkone und Terrassen können ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten. Wichtig ist auch hier, dass dort Pflanzen wachsen, die Insekten auch verwerten können - erst dann leisten sie auch einen ökologisch wichtigen Beitrag. Viele wichtige Küchenkräuter wie Thymian, Oregano oder Rosmarin werden auch von Wildbienen und Schmetterlingen gemocht, was jedoch voraussetzt, dass die Pflanzen zur Blüte gebracht werden müssen.
Welchen Wert haben Wildkräuter für Menschen und Insekten?
Wir haben es schon kurz angerissen, welchen unschätzbaren Wert Wildkräuter für einzelne Ökosysteme hat. Das Beispiel mit spezialisierten Falterarten zeigt bereits, wie sensibel Insekten zum Teil auf bestimmte Arten angewiesen sind. Findet der Nachtfalterschwärmer keine Nachtkerzen mehr vor, kann er nur noch auf das Weidenröschen als Nahrungspflanze ausweichen. Fehlt auch diese, verhungert der Schwärmer.
Neben diesem speziellen Artengefüge ist ein artenreiches Wildkrautvorkommen auch für das Überleben von Wildbienen wichtig. Gerade Städte bieten in den letzten Jahren ein Ausweichrefugium an, da viele Bienenpopulationen nicht nur durch den Klimawandel und den Artenverlust auf dem Land sondern auch durch Krankheitserreger drastisch dezimiert worden sind. Da Bienen als Bestäuber eine wichtige Funktion haben, spielen sie auch für uns Menschen eine zentrale Position für unsere eigenen Nahrungsquellen.
Für uns Menschen sind Wildkräuter auch direkt nützlich. Vor allem dann, wenn sie nur selten gemäht werden und sich entwickeln können. Ein besonderer Punkt ist hier das Mikroklima, aber auch bei der Aufnahme von Wasser durch Niederschläge. Wird zu oft gemäht und vertrocknet die Pflanzennarbe, trocknet auch der Boden aus. In Folge dessen kann Niederschlagswasser nicht mehr richtig ins Erdreich eindringen.
Nicht zuletzt spielt eine hohe Artendichte von Kräutern und Insekten auch für viele in Städten lebende Vögel eine immense Bedeutung. Damit sind nicht die üblichen Verdächtigen wie Taube oder Sperling gemeint, sondern vor allem Meisen, Amseln, Schwalben, Rotschwanz oder Stieglitz.
Unkraut oder Wildkraut
Es kommt leider immer noch viel zu oft vor, dass viele Wildkräuter als nutzloses Unkraut herabgesetzt werden. So werden auch heute noch viele typische und wichtige Kräuter wie Löwenzahn, Spitzwegerich, Gundermann oder Taubnessel schnell entfernt, da sie als unästhetisch empfunden werden. Das kann sich vor allem im frühen Frühjahr schnell rächen, da eben diese Pflanzen oft das erste kraftvolle Futter für viele Insekten ist, die aus dem Winterschlaf erwacht sind.
Der Begriff Unkraut gehört daher neu definiert, da selbst viele für Menschen nutzlose Kräuter unendlich wichtig sind. Der Weiße Gänsefuß (Chenopodium album) beispielsweise, wirkt sehr unscheinbar und wird oft bekämpft, dabei stellt gerade diese Art für viele Schmetterlingsraupen eine wichtige Nahrungsquelle dar.
Viele Städte erkennen den ökologischen Wert nicht- Aber es gibt gute Beispiele
Das Thema Natur- und Artenschutz ist nun seit vielen Jahren ein wichtiges Thema. Dennoch liegt noch viel Überzeugungsarbeit vor uns. Einige Unarten, die für die pflanzliche und tierische Artenvielfalt sind u.a.:
- Anlegen von Schottergärten: Sie sind bequem für den Gärtner, aber Gift fürs Stadtklima und die Artenvielfalt.
- Zu häufiges Mähen von Grünstreifen: Zu oft bearbeiten Mitarbeiter der örtlichen Grünflächenämter Grünstreifen oder beseitigen Kräuter, die zu oft als lästiges Unkraut bezeichnet werden. Beispielsweise wird die Brennnessel, eine wichtige Futterpflanze, viel zu früh entfernt. Es ist dann nicht verwunderlich, dass Kleiner Fuchs und Admiral nur noch selten in Städten anzufinden sind.
- Stadtgärten oder Vorgärten mit nutzlosen und nicht einheimischen Pflanzen: Es kommt leider immer noch viel zu oft vor, dass solche Gärten mit Pflanzen kultiviert werden, die ein geringes ökologisches Potenzial haben. Beispiele sind hier z.B. die Forsythie oder der Kirschlorbeer, aber auch gezüchtet Pflanzen, die für Insekten kein Futter bereitstellen.
Einige Städte und Bundesländer haben sich auch ordentlich ins Zeug gelegt und sinnvolle Maßnahmen ergriffen. So hat das Bundesland Baden-Württemberg beispielsweise die Anlage von Schottergärten verboten. Auch wenn viele Eigenheimbesitzer sich nur ungern etwas verbieten lassen möchten, ist das aus Sicht der Artenvielfalt und des Stadtklimas natürlich zu begrüßen. Während Schotter sich nämlich aufheizt sorgt ein natürlicher Boden für eine bessere Regulation der Temperatur.
Einige andere Städte, wie z.B. die Orte Emmendingen oder Penzberg verzichten auf häufige Mähzyklen und lassen Kräuter und Rasen sprießen. Das mag den einen oder anderen Bürger zwar erzürnen, der eine glatte Fläche als ästhetisch erachtet, doch die Insekten und auch die Umwelt dankt es. Diese Städte sparen zudem Geld ein und tun gleichzeitig etwas fürs Mikroklima. In Summe eine Win-Win-Situation für die Gesellschaft und für die Natur.
Wildkräuter in der Stadt sammeln – Eine gute Idee?
Das Bewusstsein für Wildkräuter wächst glücklicherweise, so dass auch viele Städter gern Wildkräuter sammeln, um die Vielfalt in ihrer Küche zu erweitern. Und tatsächlich gibt es viele Orte an denen sich saftige und schmackhafte Blätter, Blüten und Samen sammeln lassen. So sind Löwenzahn, Bärlauch, Spitzwegerich, Taubnessel, Scharbockskraut oder Hirtentäschel oft in der Stadt zu finden. Im Spätsommer können auch begehrte Gewürzkräuter wie Beifuß gesammelt werden, die für deftige Gerichte gern und oft genutzt werden.
In üblichen Mengen, etwa eine Handvoll kann man die saftigen Kräuter natürlich pflücken. Ein gründliches Waschen vor dem Verzehr ist nach dem Sammeln dringend zu empfehlen. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass keine Straße in direkter Nähe ist. Auch gut besuchte Parks sind eher nicht geeignet, da diese häufig viel Unrat aushalten müssen.
Aus Naturschutzgründen sollten jedoch immer nur Blätter und wenige Blüte gesammelt werden. Bitte reißen Sie niemals die komplette Wurzel aus dem Boden raus.