Brunnenkresse
Nasturtium officinaleJedes Jahr im Frühling hat die Brunnenkresse neben Wildkräutern wie Bärlauch, Scharbockskraut und Giersch Saison. Kein Wunder: schließlich gilt die Brunnenkresse seit Jahrhunderten als vitamin- und mineralstoffreiches Superfood und wurde schon in der Antike als Therapeutikum gegen Skorbut verwendet. Allerdings nimmt die Brunnenkresse unter allen Kräutern eine besondere Stellung ein: sie wächst nur in Bachläufen, Quellgebieten oder Schlammbeeten und ist nach dem Ernten nur für kurze Zeit haltbar.
Botanischer Name | Nasturtium officinale |
Pflanzenfamilie | Kreuzblütler (Brassicaceae) |
Weitere Namen | Wasserkresse, Bornkresse, Quellkresse, Bachkresse |
Aussaatzeit / Pflanzzeit | Mai-August |
Blütezeit | Mai-Juli |
Erntezeit | ab Mai, vor der Blüte |
Standort | Schattige, feuchte bis nasse Standorte |
Verwendung als Heilkraut | Vitaminspender, Schleimlöser, bei Hautproblemen |
Verwendung als Gewürzkraut | Salatkraut |
Vom Nasenpein und Vitaminmangel
Die Brunnenkresse blickt auf eine lange Bedeutung in der Geschichte der Menschheit zurück. Schon im alten Griechenland stand die Brunnenkresse auf dem Speiseplan. Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) behandelte Vitaminmangelerkrankungen wie Skorbut mit burn-crasse - weshalb die Brunnenkresse Rudolf Fischer-Benzon (1839 bis 1911; Botaniker) einst mehr Heilmittel als Genussmittel war.
Bis weit ins 17. Jahrhundert hinein wurde wild wachsende Brunnenkresse in der Natur gesammelt, später wurde sie gärtnerisch angebaut, wobei Erfurt seit eh und je den Titel als Hauptstadt der Brunnenkresse in Deutschland hält und auch heute noch Zentrum der Brunnenkresse-Kultur ist.
Während der Name Brunnenkresse auf die natürlichen Vorkommen – Brunnen in der althergebrachten Bedeutung als Quelle – anspielt, bezieht sich der Namenszusatz Kresse auf die Schärfe der Brunnenkresse.
Der lateinisch-stämmige, botanische Name Nasturtium officinale hingegen wurde 1751 von Philip Miller (1691 bis 1771) mit Nasenpein übersetzt, weil sie so viel Schärfe hat, daß der Geruch des Samens, wenn man ihn reibt, Niessen macht. Gepaart mit der Bezeichnung officinale, die alle Kräuter im Namen tragen, deren medizinische Wirkung klinisch erwiesen wurde, ist die Bedeutung als in der Kräuterheilkunde offensichtlich.
Vorkommen und Systematik der Brunnenkresse
Herkunft und Vorkommen der Brunnenkresse
Die Brunnenkresse stammt ursprünglich aus dem südeuropäischen Raum, ist wild aber auch im Südwesten Asiens sowie in Nordafrika beheimatet. Durch die Kultivierung und dem Verteilung der Samen via Wind oder Wasservögel ist die Brunnenkresse seit dem 16./17. Jahrhundert mittlerweile vielerorts als Neophyt auch in Deutschland, Österreich und in der Schweiz heimisch.
Systematik der Brunnenkresse (Nasturtium officinale)
Die Brunnnenkresse gehört botanisch zur Familie der Kreuzblütler, die unter anderem auch Radieschen, Rettich und Wasabi, viele Kohlarten wie Pak Choi, Blumenkohl, Rotkohl, Weißkohl, Grünkohl und Steckrüben, genau wie Senf umfasst.
Verwandt ist die Brunnenkresse u.a. mit Kräutern wie dem Barbarakraut (Winterkresse), der Knoblauchsrauke oder Weißer Senf. Übrigens: Mit der Kapuzinerkresse hat die Brunnenkresse kaum Gemeinsamkeiten. Sie sind nicht verwandt, auch wenn der Name es vermuten lässt.
Brunnenkresse erkennen und bestimmen – Merkmale
Brunnenkresse ist eine mehrjährige krautige und wintergrüne Pflanze, die eine Wuchshöhe von 15 bis 60 cm erreichen, teilweise auch bis zu einen Meter hoch werden kann. Der Lexikograph Carl Günther Ludovici (1707 bis 1778) spricht von etwa eines Schuhes lange Stengel.
Auch wenn Brunnenkresse mehrjährig ist und sich selbst aussamt, ist sie anspruchsvoll: neben einem schattigen Standort im Wasser oder Schlammbeet ist es vor allem die stetige Zufuhr an frischem Wasser, die für das optimale Wachstum notwendig ist.
Blätter
Die runden bis eiförmigen Blätter der Brunnenkresse sind von dunkelgrüner Farbe und erinnern an Raps oder das ebenfalls eher in Feuchtgebieten wachsende Bittere Schaumkraut. Die Verwechslung mit dem zwar nicht giftigen Bitteren Schaumkraut kann ausgeschlossen werden, indem man die Stängel unter die Lupe nimmt. Der Stängel der Brunnenkresse ist hohl, während der Stängel des Bitteren Schaumkrauts mit weißem Mark gefüllt ist.
Blüten
Die filigranen weißen Blüten der Brunnenkresse zeigen sich etwa ab Mitte Mai und bilden zunächst schirmartige Blütentrauben, die später in traubige Blütenstände übergehen.
Die Blüten zählen insgesamt vier weiße, etwa vier Millimeter kleine Kronblätter, die sechs gelbe Staubblätter umgeben und von Bienen sowie verschiedenen Faltern bestäubt werden. Möglich ist aber auch die Selbstbestäubung.
Früchte und Samen
Aus der Blüte gehen später etwa 2 cm lange, hellbraune Schoten, in denen bis zu 60 runde, scharf schmeckende Samen in der Zeit von September bis Oktober heranreifen.
Brunnenkresse pflanzen, pflegen und ernten
Die Brunnenkresse ist beliebt, aber nur selten im Einzelhandel zu bekommen, wobei auf Wilkräuter spezialisierte Kräuterhandlungen ein vielversprechender Anlaufpunkt sind. Samen hingegen gibt es häufiger zu kaufen.
Die Gründe, warum Brunnenkresse unter Hobbygärtern als Herausforderung gilt: der Charakter der Brunnenkresse bzw. die Anforderungen an den Standort. Im Garten oder Topf ist die Brunnenkresse nur schwer zu kultivieren, da sie immer feuchte Füße und viel frisches, kühles Wasser braucht. Ludovici beschrieb den bevorzugten Standort der Brunnenkresse 1733 folgendermaßen: wächst gemeiniglich an denen Wassern, die aus den Quellen oder springenden Brünnlein laufen.
Anbau- und Pflegehinweise auf einem Blick:
- Standort und Lage: schattig, im Wasser
- Pflanzorte: Bachläufe, Quellgebiete oder im Kübel
- Boden und Erde: nährstoffreich, humos und nass
- Kalkbedarf: mäßig
- Pflanzabstand: dicht
- Nährstoffbedarf: gering
- Geeignete Dünger: nicht benötigt
- Topfkultur möglich: schwierig
- Wasserbedarf: sehr hoch
- Vermehrung: über Samen und Stecklinge
- Verjüngung: nicht notwendig
- Überwinterung: mehrjährige am Standort bleibend
Standort und Boden
Brunnenkresse wächst mit Wurzeln im Boden verankert direkt in Bächen, an Quellen oder Flüssen mit mäßiger Strömung direkt im Wasser. Sind die Pflanzen groß genug, ragen sie scheinbar schwimmend aus der Wasseroberfläche heraus. Idealerweise beträgt die Wassertemperatur 10 bis 15 °C; Temperaturen, die in der Natur vor allem Bachläufen gegeben sind.
Große Brunnenkresse-Gärtnereien setzten auf ein Grabensystem, Klingen genannt, das die natürlichen Biotope imitiert – insbesondere, was die ständige Wasserbewegung und notwendige Nährstoffzufuhr betrifft.
Die Kultur im Topf oder Beet ist mit viel Aufwand verbunden: Einhaltung des leicht alkalischen pH-Wertes des humosen Bodens, täglich frisches und kühles Wasser sowie ein schattiger Platz im Garten. Für besonders frostige Winter wird geraten, die Pflanzen mit Vlies abzudecken.
Aussaat und Vermehrung
Die Aussaat der Brunnenkresse erfolgt im Zeitraum von Mai bis August, wobei die Samen – leicht mit Erde bedeckt – im Topf vorgezogen werden können oder alternativ nach der Ernte der Brunnenkresse und der anschließenden Trockenlegung der Wassergräben/Klingen direkt vor Ort. Nach etwa sechs Wochen zeigen sich die ersten Keimlinge. Tatsächlich muss Brunnenkresse in der Kultur jedes Jahr auf´s Neue ausgesät werden. In der Natur hingegen nicht. Der Wind, fließendes wasser und im Wasser lebende Vögel organisieren die Verbreitung der Samen.
Deutlich einfacher gestaltet sich die Vermehrung der Brunnenkresse über Stecklinge.
Düngen
Brunnenkresse benötigt nicht zwingend eine erweiterte Nährstoffzufuhr über Dünger. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass kultivierte Brunnenkresse üppiger und schneller wächst, wenn die Erde mit etwas Kompost versetzt wird.
Brunnenkresse mit direkter Frischwasserzufuhr in Bächen oder an Quellaustritten braucht keinerlei Düngung.
Gießen
Weitaus wichtiger als Dünger ist, dass der Brunnenkresse regelmäßig frisches, kühles und nährstoffreiches Wasser zugeführt wird.
Krankheiten und Schädlinge
Auch die Brunnenkresse ist nicht vor dem Befall mit Schädlingen gefeiht. Vor allem Schnecken – erkennbar am Lochfraß der Blätter, Trauermücken und Blattläuse setzen der Pflanze zu.
Hinzu kommt, dass in Kübeln, Gewächshäusern oder Gräben angebaute Brunnenkresse unter einem Nährstoffmangel oder zu warmem Wasser leiden kann, da die Bedingungen zum Wachstum wie in der Natur nur schwer nachgestellt werden können.
Zusätzlich kann Brunnenkrese mit Falschem Mehltau befallen werden, der sich dadurch zeigt, dass die mehlig-staubige Schicht auf den Blätter mit den Fingern leicht entfernt werden kann.
Zur Behandlung von Schädlingen haben sich Nematoden erfolgreich erwiesen.
Ernte
Da Brunnenkresse das ganze Jahr über mit frischem Blattgrün gesegnet ist, kann Brunnenkresse auch im Winterhalbjahr bis zur Blüte im Mai geerntet werden. Die Blätter der Brunnenkresse sind zart, weshalb die Ernte bestenfalls durch einfaches Pflücken oder vorsichtig mit der Sense erfolgt.
Der beste Erntezeitpunkt der Brunnenkrese ist Ludovici zufolge der Februar, da die Pflanze dann von läuchenden Fröschen und anderm Ungeziefer noch nicht verunreinigt ist.
Verwendung von Brunnenkresse
Brunnenkresse in der Küche
Jeden Frühling erlebt die Brunnenkresse ihre Hochzeit. Keine Kochzeitschrift oder saisonale Empfehlungen für Rezepte verpassen die Zeit der Brunnenkresse. Neben den mineralstoff- und vitaminreichen inneren Werten wird die entwässernde Wirkung betont und die Bedeutung der Brunnenkresse in der leichten Frühlingskost zwecks Verlust der überflüssigen Winterkilos hervorgehoben. Kein Wunder also, dass sich die Brunnenkresse aufgrund der Dichte aller Nährstoffe einen Namen als das gesündeste Gemüse der Welt gemacht hat.
Ludovici riet seinerzeit, die Blätter der Brunnenkresse eher im Winter als im Frühjahr zu essen, da diese dann zarter und weniger scharf wären. Er schlägt alls einfaches Rezeot ein Butterbrot mit Brunnenkresse vor. Etwas umfangreicher sind die Zutaten für einen Frühlingssalat bei Gottlieb Siegmund Corvinus (16777 bis 1746), der Brunnenkresse mit Endivien, roten Rüben und Rapunzlein vorschlägt.
Der Geschmack der Brunnenkresse erinnert an Gartenkresse, ist ebenfalls scharf mit einer frischen Note – bedingt durchd ie enthaltenen Senföle, allen voran Gluconasturtiin. Ferner enthalten und von ernährungsphysiologischer Bedeutung sind Bitterstoffe, ätherische Öle sowie die Vitamine A, B1, B2, C und Folsäure, plus Calcium, Magnesium, Eisen, Jod und Phosphor.
Brunnenkresse wird im Handel, vorzugsweise auf Märkten, als Bündel nur frisch angeboten, da der Geschmack durch Trocknen nicht konserviert werden kann.
Brunnenkresse als Heilkraut
In der historischen Heilkunde wurde Brunnenkresse als Sud oder Medizinalwein angesetzte Arznei bei Verstopfungen verwendet, half aber auch als Schleimlöser bei festsitzendem Husten. Zudem wurden Bauchwürmer, Harngrieß und -steine sowie Fiebererkrankungen, die Pest und eitrige Wunden mit Brunnenkresse behandelt.
Ludovici riet, faulige, garstige Geschwür und Schäden jeglicher Pocken äußerlich mit dem Saft der Brunnenkresse zu betupfen. Auch zur Pflege der Haut spielte die Brunnenkresse im frühen 18. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Eine Mischung aus Ziegenmilch und Brunnenkresse versprach ein wirksames Mittel gegen Flecken im Gesicht zu sein und glatte Haut zu machen. Brunnenkresse mit Schweine- und Gänsefett versetzt war das Mittel der Wahl in der Behandlung von Grind, während die zerstampften Blätter als natürliches Pflaster gegen Pocken und Entzündungen der Haut zum Einsatz kamen. Auch der Bezug zur namensgebenden Nase kam nicht zu kurz: Polypen, oder wie Ludovici es bezeichnete: Geschwulste der Nase oder Nasen-Gewächs wurden kuriert, indem ein Auszug von Essig mit Brunnenkresse in die Nase gestrichen wurde.
Heute ist die Brunnenkresse aus medizinischer Sicht in Vergessenheit geraten. Extrakte aus der Brunnenkresse werden in Kosmetika verarbeitet, wobei klinische Untersuchungen zeigen, dass Brunnenkresse aus der ökotrophologischen Warte interessant ist, da die Pflanze einen positiven Effekt auf den Blutzuckerspiegel hat.
Für diese Wirkungen ist die Brunnenkresse bekannt:
- blutzuckersenkend
- appetitanregend
- stoffwechselfördernd
- harntreibend
- entzündungshemmend
- entwässernd
- schleimlösend
- fiebersenkend
In den vergangenen Jahren und der Entwicklung hin zu einem nachhaltigen Umgang mit der Umwelt und natürlichen Inhaltsstoffen in Haar- und Hautpflegeprodukten hat die Brunnenkresse ein Revivial erlebt. Gesichtswasser, Cremes und Seren werden mit Brunnenkresse-Extrakten angereichert, um die Sebumproduktion von unreiner, fettiger Haut zu regulieren. Gleichzeitig wirken die Inhaltsstoffe der Brunnenkresse auf die Haut antibakteriell und entzündungshemmend. Zugleich werben Anbietende von brunnenkressehaltigen Hautpflegeprodukten mit der straffenden Wirkung, insofern Brunnenkresse die hauteigene Kollagenproduktion ankurbelt und parallel aufgrund des enthaltenen Vitamin C die Intensität von Pigmentflecken reduzieren kann (Sonnenschutz nicht vergessen!).
Nebenwirkungen: Schon der Arzt und Botaniker Adam Lonitzer (1528 bis 1586) warnte Schwangere davor, Brunnenkresse zu essen, da das Kraut Wehen auslösen kann. Nierenerkrankte sollten aufgrund der harntreibenden und entwässernden Wirkung ebenfalls vorsichtig sein und gegebenenfalls einen Arzt/eine Ärztin fragen. Ebenso sollte Brunnenkresse nicht täglich auf dem Teller landen, da der Magen wegen der Senföle empfindlich reagieren könnte.
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Weiterführende Literatur und Quellen
- Mattioli, P. A. (1598): Senecio. IN: Medica materia: Adiectis in margine variis Graeci textus lectionibus, ex antiquissimis Codicibus desumptis, qui Dioscoridis deprauatam lectionem restituunt
- Fischer-Benzon, R. (1894): Kresse, Brunnenkresse und Pfefferkraut. IN: Altdeutsche Gartenflora. Untersuchungen über die Nutzpflanzen des deutschen Mittelalters, ihre Wanderung und ihre Vorgeschichte im klassischen Altertum
- Ludovici, C. G. (1733): Brunnen-Kresse. IN: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste
- Miller, P. (1751): Nasturtium. IN: Das englische Gartenbuch, oder Gärtner-Lexicon
- Corvnius, G. S. (1715): Brunnenkresse. IN: Frauenzimmer-Lexikon
- Meigen, W (1898): Nasturtium. IN: Die deutschen Pflanzennamen
- Suckow, G. A. (1797): Brunnenkresse. IN: Anfangsgründe der theoretischen und angewandten Botanik. Band 3
- Lonitzer, A. (1783): Wassermünz und Brunnenkressen. IN: Vollständiges Kräuterbuch oder Das Buch über alle drey Reiche der Natur
- Reichart, C. (1785): Von Anlegung der Brunnenkreß-Klingen. IN: Einleitung in den Garten- und Acker-Bau